Individuelle Vermögensverwaltung / Marktanalysen

Warum der BIP-Rückgang in Japan ein einmaliges Ereignis und kein Warnsignal zu sein scheint

Ein rückläufiges BIP ist nicht immer gleich ein Hinweis auf allgemeine Schwäche.

Montagmorgen legte Japan die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP, eine von einer Regierung veröffentlichte Kennzahl für die Wirtschaftsleistung) für das dritte Quartal vor, die angesichts eines Rückgangs des Gesamt-BIP um 1,8 Prozent für gewisse Ernüchterung sorgten.[i] Die meisten Berichterstattungen führten dies auf die rückläufigen Exporte infolge der neuen US-Zölle zurück. Auf eine etwas verkomplizierte Art und Weise ist das wohl halbwegs richtig. Unter der Oberfläche war jedoch eine weitaus interessantere Entwicklung zu beobachten, die einige zeitlose Lehren für Anleger bereithält.

Tatsächlich ist ein Grossteil der BIP-Schwäche auf den Exportrückgang um 4,5 Prozent auf annualisierter Basis zurückzuführen. So hat dieser etwa das Gesamt-BIP-Wachstum um 1,0 Prozentpunkte geschmälert.[ii] Unseres Erachtens scheint dies jedoch nicht den Zöllen geschuldet zu sein, die plötzlich die Nachfrage nach japanischen Gütern zunichtemachen. Vielmehr zogen die Exporte im zweiten Quartal auf annualisierter Basis sprunghaft um 9,5 Prozent an, da sich die US-Verbraucher den Anfang April gewährten 90-tägigen Aufschub für die Umsetzung der US-Zölle zunutze machen wollten.[iii] Vor diesem Hintergrund scheint der Rückgang im dritten Quartal eher dem üblichen Einbruch zu entsprechen, der unseren Analysen zufolge auftritt, wenn die Nachfrage aufgrund externer Ereignisse vorgezogen wird. Diese Situation erinnert an die Konsumsteuererhöhungen in Japan in den 2010er-Jahren. Damals war die Berichterstattung gefüllt von Meldungen darüber, dass sich die Verbraucher um teure Anschaffungen bemühten, bevor die Steuern angehoben wurden. Dies sorgte im Vorfeld der Steuererhöhungen für einen sprunghaften Anstieg der Verbraucherausgaben, die im Anschluss wieder fielen.[iv] Die monatlichen Handelsdaten aus Japan weisen einen Anstieg der Exportvolumina im September im Vergleich zum August aus, was darauf hindeutet, dass der zollbedingte Rückgang recht gering ausgefallen sein könnte. Der Mangel an saisonal bereinigten monatlichen Daten verkompliziert die Analyse unseres Erachtens jedoch etwas.[v]

Jedenfalls stellten die Exporte nicht den grössten Belastungsfaktor dar. Diese (fragwürdige) Ehre gebührt dem Wohnbausektor, der auf annualisierter Basis um 32,5 Prozent nachgab.[vi] Dies ist der drittstärkste Rückgang innerhalb der letzten 30 Jahre, wobei die anderen beiden mit der Rezession im Zuge der globalen Finanzkrise 2008 zusammenfielen.[vii] Dies hat jedoch weitaus harmlosere Gründe: Im April wurde die Bauverordnung in Japan geändert, sodass sich Hausbauer nun strengeren Anforderungen im Hinblick auf die Energieeffizienz, strengeren Sicherheitsvorschriften und längeren Genehmigungsfristen gegenübersehen.[viii] So wohlmeinend dies auch sein mag, hat dies für Immobilienentwickler in der Regel Herausforderungen in Form eines immensen Verwaltungsaufwands, höherer Kosten und von Genehmigungsverzögerungen zur Folge. Dies hat für einen Rückgang der Baubeginne gesorgt und vermutlich auch die Häuserrenovierungen gebremst, die ebenfalls ins Stocken geraten sind.[ix] Ein deutlicher – und voraussichtlich vorübergehender – Investitionseinbruch scheint unseres Erachtens angesichts der neuen bürokratischen Hürden für Immobilienentwickler vorprogrammiert.

Und dies bringt uns zu den Lehren. Erstens: Gut gemeinte regulatorische Änderungen, die sich auf ein Segment der Wirtschaft auswirken, können zu einer Störung der breiteren Wirtschaft führen. Aus den Gesamtergebnissen geht ein Rückgang der privaten Nachfrage im Inland hervor. Dies verschleiert jedoch, dass die Verbraucherausgaben auf annualisierter Basis um 0,6 Prozent gestiegen sind und sich die Steigerung der Geschäftsinvestitionen auf 4,2 Prozent beschleunigt hat.[x] Letztere verzeichneten damit die höchste Wachstumsrate seit dem zweiten Quartal 2024, und das vor dem Hintergrund politischer Unsicherheit infolge des Verlusts der Mehrheit der in Japan regierenden Liberaldemokratischen Partei im Oberhaus sowie der Handelsgespräche des ehemaligen Premierministers Shigeru Ishiba mit der US-Regierung unter Präsident Donald Trump und eines sehr langsamen Rücktritts.[xi] Ein stärkeres Wachstum legt nahe, dass die Unsicherheit den Investitionen keinen Abbruch getan hat, was wir als gutes Zeichen im Hinblick auf die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft werten.

Die zweite – womöglich kontraintuitive – Lehre besteht unseres Erachtens darin, dass diese Entwicklung den begrenzten wirtschaftlichen Einfluss des Immobiliensektors offenbart hat. Allgemein betrachtet würde man bei einem Sektorrückgang um 32,5 Prozent auf annualisierter Basis logischerweise mit einem ähnlich starken Rückgang des Gesamt-BIP-Wachstums rechnen. Der Einbruch im Immobiliensektor schmälerte das BIP-Wachstum jedoch lediglich um 1,2 Prozentpunkte.[xii] Wenn ein Sektor einen Rückgang um beinahe ein Drittel verzeichnen kann, dabei das Gesamt-BIP-Wachstum jedoch nur um 1,2 Prozentpunkte verringert, dann ist dieser Sektor als wenig bedeutend anzusehen. Was mit einem Anteil von gerade einmal 3,7 Prozent am japanischen Gesamt-BIP im Jahr 2024 auf den Immobiliensektor zutrifft.[xiii] Dies entspricht in etwa dem Einfluss des Sektors in den USA (3,8 Prozent des BIP) und anderen wichtigen Industrieländern.[xiv]

Alles in allem erachten wir die Konjunkturverlangsamung in Japan nicht als Zeichen für eine Zunahme der globalen Wirtschaftsrisiken. Auch nimmt die Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession unserer Ansicht nach dadurch nicht zu. Vielmehr glauben wir, dass dies den Anlegern vor Augen führt, dass die Weltwirtschaft immer Segmente aufweisen wird, die sich stark entwickeln, und solche, die schwach abschneiden. Unserer Erfahrung nach sind die Aktienmärkte sehr gut darin abzuwägen, wie all diese Faktoren zusammenspielen, und den Fokus auf das zu legen, was unseren Analysen zufolge wirklich zählt: Die Unternehmensgewinne und wie sich diese im Vergleich zu den Erwartungen entwickeln. Die Bauvorschriften in Japan werden sich wohl kaum übermässig stark auf die Gewinne weltweit auswirken. Unseres Erachtens ist dies lediglich eine Erinnerung daran, dass das BIP zuweilen aus seltsamen Gründen nachgeben kann.


[i] Quelle: FactSet, Stand: 17.11.2025. Die annualisierte Wachstumsrate ist die Rate, um die das BIP über ein Jahr hinweg steigen würde, wenn das Wachstum im Vorquartalsvergleich über alle vier Quartale hinweg unverändert bleibt.
[ii] Ebd.
[iii] Ebd.
[iv] Ebd.
[v] Quelle: Japanisches Finanzministerium, Stand: 17.11.2025.
[vi] Quelle: FactSet, Stand: 17.11.2025.
[vii] Ebd.
[viii] «Planning a Renovation in Japan? What to Know About the 2025 Building Code Update», Redaktion, Heritage Homes Japan, 22.4.2025.
[ix] Quelle: FactSet, Stand: 17.11.2025.
[x] Ebd.
[xi] Ebd.
[xii] Ebd.
[xiii] Ebd.
[xiv] Ebd.


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