Individuelle Vermögensverwaltung / Marktanalysen

Anhaltendes Wachstum in Kontinentaleuropa

Teaser: Das BIP in der Eurozone zog im dritten Quartal erneut an, angeführt von einem überraschenden Treiber.

Weniger als zwei Monate vor Jahresende trotzt die Weltwirtschaft weiterhin der durch Handel und Politik bedingten Unsicherheit – so zuletzt auch Kontinentaleuropa. Den ganzen Debatten über Zölle und lokale politische Turbulenzen in den Finanzpublikationen zum Trotz behauptet sich die Wirtschaft in der Eurozone weiterhin besser als viele annehmen. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum wir in Bezug auf die Aktienmärkte außerhalb der USA, insbesondere in Kontinentaleuropa, nach wie vor optimistisch gestimmt sind. Unserer Ansicht nach zeigen die jüngsten Daten, dass die Prognosen hinsichtlich politischer Instabilität, welche die Konjunktur beeinträchtigt, sowie einer potenzieller Wiederzunahme der Inflation (steigende Preise in der gesamten Wirtschaft) weiterhin nur Schall und Rauch sind.

Das robuste Wachstum der Eurozone

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP, eine von einer Regierung veröffentlichte Kennzahl für die Wirtschaftsleistung) der Eurozone wuchs im dritten Quartal um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal (0,9 Prozent auf annualisierter Basis), nachdem es im zweiten Quartal bei 0,1 Prozent im Vorquartalsvergleich (0,5 Prozent auf annualisierter Basis) gelegen hattei. Ein annualisiertes Wachstum von 0,9 Prozent ist alles andere als sensationell; dieses ging auf die verhaltene Entwicklung in zwei der großen Volkswirtschaften der Region zurück: Deutschland verzeichnete im Quartal eine Seitwärtsentwicklung und Italien einen Rückgang auf annualisierter Basis um 0,2 Prozentii. Gleichwohl stellt die Seitwärtsbewegung in Deutschland eine Verbesserung gegenüber dem Rückgang im zweiten Quartal dariii. Darüber hinaus korrigierte das Statistikinstitut Destatis den BIP-Rückgang im zweiten Quartal von seiner ursprünglichen Schätzung von -0,3 Prozent (-1,1 Prozent auf annualisierter Basis) auf -0,2 Prozent (-0,8 Prozent auf annualisierter Basis) nach oben, da die Produktion in den Sommermonaten nicht so schwach ausfiel wie zunächst angenommen.iv

Unter den 20 Mitgliedern des Währungsblocks wiesen lediglich drei Länder (Litauen, Irland und Finnland), die ihre Zahlen bislang vorgelegt haben, einen Rückgang im Vergleich zum Vorquartal auf.v Zugegeben, wie jeder andere Konjunkturindikator hat auch das BIP seine Grenzen. Betrachten wir beispielsweise einmal Irland, das für global orientierte Unternehmen aufgrund seiner niedrigen Besteuerung bereits seit Langem einen attraktiven Standort darstellt.vi Die multinationalen Technologie- und Pharmakonzerne, die ihren Sitz in Irland haben, können das BIP der grünen Insel stark verzerren, da sich ihre Bilanzierungspraktiken auf die Exporte auswirken und so die binnenwirtschaftlichen Entwicklungen überschatten.vii Insgesamt zeigen die BIP-Daten für das dritte Quartal unseres Erachtens aber, dass sich die meisten Volkswirtschaften in der Eurozone trotz des unsicheren Handelsumfelds weltweit gut behaupten.

Über die großen zwei

Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, lieferte im Hinblick auf die Finanzschlagzeilen mit einem BIP-Wachstum von 0,5 Prozent im Vorquartalsvergleich (2,0 Prozent auf annualisierter Basis) die größte Überraschung, da lediglich mit 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gerechnet worden war.viii Der Nettohandel (Exporte abzüglich Importe) leistete mit 0,9 Prozentpunkten den größten Beitrag zum Wachstum, wenngleich dies unseres Erachtens nicht ausnahmslos positiv zu werten ist. Obwohl die Exporte um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal merklich anzogen, gaben die Importe um 0,4 Prozent nach.ix Basierend auf der Berechnungsweise des BIP hat der Handel zwar zum Gesamtwachstum in Frankreich beigetragen. Die Importe spiegeln aber die Binnennachfrage wider, sodass ein Rückgang unserer Ansicht nach alles andere als begrüßenswert ist. Außerdem erfolgt dieser Rückgang auf einen recht starken Anstieg der Importe im zweiten Quartal (1,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal). Dies könnte den Befürchtungen der Importeure über die Zollauswirkungen geschuldet sein, wodurch sich nun eine Lücke ergibt.x Abgesehen von den Importen deuten die anderen inländischen Kennzahlen auf eine positive Dynamik hin. Der Konsum der Privathaushalte nahm wie schon im zweiten Quartal um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu, und die Bruttoanlageinvestitionen (eine Investitionskennzahl) stiegen von 0,0 Prozent auf 0,4 Prozent, angeführt von den Dienstleistungsinvestitionen (ohne Baugewerbe).xi

Da das dritte Quartal bereits abgeschlossen war, haben sich die politischen Turbulenzen in Frankreich im Oktober nicht auf das BIP in diesem Zeitraum ausgewirkt, könnten die Ausgaben und Investitionen aber seither zum Teil gebremst haben. Allerdings prägt die politische Unsicherheit in Frankreich die Finanzpublikationen bereits, seit Präsident Emmanuel Macron im Juni 2024 vorgezogene Neuwahlen einberufen hat. Damals war aus zahlreichen Analysen zu vernehmen, dass die Unsicherheit das Wachstum belasten würde. Jedoch gab das französische BIP in den sechs Quartalen vom zweiten Quartal 2024 bis zum dritten Quartal 2025 nur einmal nach, was zeigt, dass die politische Instabilität der Wirtschaftsleistung Frankreichs keinen Abbruch getan hat.xii

Dagegen trat das BIP in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Eurozone, im dritten Quartal auf der Stelle.xiii Das deutsche BIP entwickelt sich seit 2022 unstet und gab in den drei Quartalen vom vierten Quartal 2023 bis zum zweiten Quartal 2024 nach. Die Entwicklung im dritten Quartal setzt diesen seit Längerem bestehenden Trend unseres Erachtens fort.xiv Das verhaltene Ergebnis dürfte jedoch hinter den Erwartungen derjenigen zurückbleiben, die angenommen hatten, dass der Staatsausgabenplan des neuen Kanzlers Friedrich Merz das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde.

Wir hegten Zweifel an dieser Annahme, da unsere Analysen zeigen, dass es in der Regel einige Zeit dauert, bis sich Staatsausgaben in der Wirtschaft bemerkbar machen (wenn überhaupt). So verabschiedete Deutschland beispielsweise seinen Haushalt für 2025 im September, und die Regierung ist immer noch dabei zu ermitteln, welche Infrastrukturinvestitionen getätigt werden sollen.xv Bis sie sich festgelegt hat, die erforderlichen Genehmigungen erteilt sind und der erste Spatenstich gesetzt wurde, könnte unseren Untersuchungen der Ausgabenpläne von Regierungen zufolge bereits ein ganz anderes Wirtschaftsumfeld herrschen. Die Bundesregierung arbeitet noch immer an den Plänen zur Subventionierung der Stromkosten der Schwerindustrie des Landes, obschon diese bereits seit 2023 debattiert werden und sich die Politiker weitgehend einig sind, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen – und dabei bestehen nicht einmal Genehmigungsprobleme oder bautechnische Hürden.xvi Zur Klarstellung sei angemerkt, dass wir keineswegs der Ansicht sind, dass die deutsche Wirtschaft auf staatliche Rettungsaktionen angewiesen ist – unserer Überprüfung der Wirtschaftsdaten zufolge fällt das Wachstum robuster aus als von vielen angenommen (da der außer Acht gelassene Dienstleistungssektor die Schwäche in der Industrie ausgleicht). Doch sollten die Anleger die Versprechen der Politik, der Wirtschaft Auftrieb zu verleihen, unseres Erachtens mit Vorsicht genießen, denn die Auswirkungen sind oftmals nicht so umfangreich und unmittelbar wie von vielen angenommen.

Inflation ist etwas ganz Normales. Punkt.

Während in den Finanzpublikationen über den nächsten Schritt der Europäischen Zentralbank (EZB) spekuliert wird, sind die Verbraucherpreise in der Eurozone im Oktober um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, was einen Rückgang von den 2,2 Prozent im September darstellt.xvii Was die zugrunde liegenden Komponenten anbelangt, so beschleunigte sich lediglich der Preisauftrieb im Dienstleistungssektor (von 3,2 Prozent auf 3,4 Prozent im Vorjahresvergleich) – bei allen anderen wichtigen Kategorien kam es zu einem Rückgang.xviii Einige Kommentatoren argumentieren, dass der Preisanstieg bei Dienstleistungen breitere Auswirkungen auf den Rest der Wirtschaft haben könnte.

Die Inflation der Dienstleistungspreise ist zwar zuletzt schneller gestiegen als die der Güterpreise und verharrt seit Januar 2024 hartnäckig in einer Spanne von 3,0 Prozent bis 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr.xix Doch selbst nach dem Anstieg im Oktober bewegt sich die Dienstleistungsinflation nach wie vor mehr als einen halben Prozentpunkt unter dem im April verzeichneten Wert von 4,0 Prozent.xx Unseres Erachtens sollten Anleger den monatlichen Schwankungen nicht allzu viel Beachtung schenken. Bei allgemeinerer Betrachtung bestätigen die jüngsten Preisdaten, dass die Inflation in der Eurozone nicht nur zum Normalwert zurückkehrt, sondern diesen bereits erreicht hat. (Darstellung 1)


Quelle: FactSet, Stand: 03.11.2025. Veränderung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für die Eurozone, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien im Vergleich zum Vorjahr, Oktober 2020 – Oktober 2025. Der „langfristige Durchschnitt für die Eurozone“ basiert auf der monatlichen Veränderung des HVPI in der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr von Oktober 2005 bis Dezember 2019 (um die Verzerrung durch die Pandemie zu beseitigen).

Unseres Erachtens haben die zukunftsorientierten Märkte diese wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit bereits vor Monaten in den Aktienkursen eingepreist, und die offiziellen Daten bestätigen nun diese wider Erwarten positive Entwicklung. Dies trägt zusammen mit anderen Faktoren zum aufkeimenden Optimismus vor dem Hintergrund der trüberen Stimmung außerhalb Amerikas bei.


[i] Quelle: Eurostat, Stand: 03.11.2025. Das annualisierte Wachstum des BIP ist die Rate, um die es über ein ganzes Jahr hinweg steigt, wenn die Wachstumsrate im Vorquartalsvergleich über vier Quartale hinweg unverändert bleibt.
[ii] Ebd.
[iii] Quelle: Eurostat, Stand: 31.10.2025.
[iv] Quelle: Destatis, Stand: 30.10.2025.
[v] Siehe Fußnote i. Auf annualisierter Basis haben vier von zehn Eurostaaten einen Rückgang verzeichnet (Irland, Italien, Litauen und Finnland).
[vi] „Multinationals Make Ireland’s GDP Growth ‘Clearly Misleading’“, Shawn Pogatchnik, Politico, 05.02.2021.
[vii] „Is Ireland Really the Most Prosperous Country in Europe?“, Patrick Honohan, Central Bank of Ireland, Februar 2021.
[viii] Quelle: FactSet, Eurostat und Weltbank, Stand: 04.11.2025.
[ix] Quelle: Insee, Stand: 03.11.2025.
[x] Ebd.
[xi] Ebd.
[xii] Siehe Fußnote i.
[xiii] Quelle: Eurostat und Weltbank, Stand: 04.11.2025.
[xiv] Siehe Fußnote i.
[xv] „Germany Approves 2025 Budget, Ushering in New Era of Spending“, Holger Hansen, Reuters, 18.09.2025. Abgerufen über US News & World Report.
[xvi] „Germany Plans to Lower Industrial Power Costs From January“, Redaktion, AFP, 03.11.2025. Abgerufen über France24.
[xvii] Siehe Fußnote ii.
[xviii] Siehe Fußnote i.
[xix] Ebd.
[xx] Ebd.

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