Individuelle Vermögensverwaltung / Politik
Die jüngsten politischen Entwicklungen in den Niederlanden und Japan
Unsere Einschätzung zu der aktuellen Entwicklung in Den Haag und Tokio.
Redaktioneller Hinweis: Unser Kommentar ist unparteiisch. Wir unterstützen weder einen Politiker noch eine politische Partei und bewerten Ereignisse ausschließlich nach ihren potenziellen wirtschaftlichen und marktbezogenen Auswirkungen.
Ende Oktober rückten zwei wesentliche Quellen der globalen politischen Unsicherheit stärker in den Fokus. In den Niederlanden endeten die vorgezogenen Neuwahlen mit einer Pattsituation, und in Japan stellte die neue Premierministerin ihr Kabinett und ihre wirtschaftspolitische Agenda vor, was für großes Aufsehen unter den Kommentatoren sorgte. Im Folgenden erörtern wir, wie sich diese Entwicklungen unserer Ansicht nach auf die globalen Märkte auswirken werden.
Wieder ein Parlament ohne klare Mehrheit nach den vorgezogenen Neuwahlen in den Niederlanden vom 29. Oktober
Nachdem nunmehr alle Stimmen ausgezählt sind, entfällt die Mehrheit auf die gemäßigte Democraten 66 (D66) und die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) mit jeweils 26 Sitzen im Parlament.[i] Allerdings blieb das Wahlergebnis bis Montagabend unklar, als es der D66 schließlich gelang, die PVV mit den Briefwahlstimmen leicht zu überholen.[ii]
Keine Partei kam auch nur in die Nähe der für eine Mehrheit erforderlichen 76 Sitze. Somit dürfte das Ergebnis Koalitionsgespräche nach sich ziehen, die angesichts der aktuellen politischen Differenzen nur langsam vorankommen dürften. Darstellung 1 zeigt das Ergebnis für die Sitzverteilung der einzelnen Parteien im Vergleich zum bisherigen Parlament.
Darstellung 1: Das Wahlergebnis in den Niederlanden
Quelle: Politico, Stand: 05.11.2025.
Das Wahlergebnis verdeutlicht unserer Ansicht nach die zunehmende Zersplitterung der europäischen Parlamente, wobei die ehemals großen Parteien der Mitte an Unterstützung verlieren und neue Parteien an den Rändern aufsteigen. So sind im niederländischen Parlament mittlerweile 15 Parteien vertreten. Dies kann eine Koalitionsbildung entsprechend erschweren.
Da die D66 die Mehrheit der Stimmen hat, wurde dem Parteivorsitzenden Rob Jetten das offizielle Mandat zur Koalitionsbildung übertragen. Die D66 ist seit ihrer Gründung im Jahr 1973 an vier verschiedenen Koalitionen in den Niederlanden beteiligt gewesen und bildete zuletzt von 2017 bis 2023 gemeinsam mit der konservativ-liberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) des ehemaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte, dem Christen-Democratisch Appèl (CDA) und der zentristischen ChristenUnie (CU) die Regierung.[iii] Dies lässt unseres Erachtens auf die wahrscheinlichen künftigen Partner der D66 schließen.
Zunächst lässt sich feststellen, dass ein Bündnis mit der PVV höchst wahrscheinlich nicht infrage kommt. Zu groß sind die Meinungsverschiedenheiten der beiden Parteien über die Immigrationspolitik (eines der Schlüsselthemen der Wahl), zumal die D66 in ihrer Wahlkampagne eine Koalition mit Parteien, die dem „rechten Rand“ zugeordnet werden, ausgeschlossen haben, womit sie sich offenbar neben anderen konservativen Parteien auf die PVV bezogen.[iv] Allerdings gab es einige Spekulationen über eine „breite Koalition der Mitte“ von D66, VVD, CDA und dem linken Bündnis GroenLinks-PvdA (GL-PvdA), obwohl die VVD einer Koalition mit der GL-PvdA aufgrund starker politischer Differenzen vorab eine Absage erteilt hat.[v] Wie immer könnten jedoch politische Kompromisse für Annäherung sorgen. In diesem Fall bestünde jedoch das Risiko einer gelähmten Koalition. Welche anderen Möglichkeiten bestehen? Eine „Mitte-Rechts“-Koalition aus D66, VVD, CDA und der konservativen Partei JA21, obschon dies ebenfalls den Wahlversprechen der D66 zuwiderlaufen würde.[vi]
Die zersplitterte Parteienlandschaft sowie die unterschiedlichen politischen Positionen und Wahlversprechen verzögerten in der Vergangenheit die Koalitionsbildung in den Niederlanden. Im Jahr 2023 dauerten die Gespräche 150 Tage an, bis im Rahmen eines Kompromisses Dick Schoof zum Premierminister ernannt und ein Kabinett unter Mehrheitsbeteiligung der PVV gebildet wurde.[vii] 2021 dauerte die Kabinettsbildung sage und schreibe 299 Tage.[viii] Und 2017? 225 Tage.[ix] Demnach ist auch dieses Mal ein langer Sondierungsprozess zu erwarten. Indes lässt die Vergangenheit darauf schließen, dass dies ein gutes Umfeld für niederländische Aktien sein dürfte, da diese während der Koalitionsgespräche 2017 und 2023 ihre globalen Pendants übertroffen haben.[x] Während der Gespräche 2021 blieben sie zwar hinter globalen Aktien zurück, die um 19,1 Prozent anzogen, verzeichneten aber immerhin ein solides Plus von 15,8 Prozent.[xi] Die niederländischen Märkte weisen einen starken Technologiebezug auf, sodass entsprechende Sektortrends – insbesondere bei Halbleitern – die breiteren Indizes üblicherweise spürbar beeinflussen.[xii] In Ländern mit kleineren Aktienmärkten ist oftmals festzustellen, dass solche Faktoren schwerer wiegen als die politische Entwicklung im Inland.
Die politische Agenda der neuen japanischen Premierministerin sorgt für bessere Stimmung
Im Land der aufgehenden Sonne erfreuen sich die neue Premierministerin Sanae Takaichi und ihr Kabinett offenbar wachsender Beliebtheit. In der Woche nach ihrer Wahl erreichte sie in den Meinungsumfragen einen Zustimmungswert von 64,4 Prozent bis 75,4 Prozent und konnte damit ihren Vorgänger Shigeru Ishiba um Längen übertreffen.[xiii] Angesichts dieser Beliebtheit gehen die Kommentatoren davon aus, dass Takaichi über das politische Durchsetzungsvermögen verfügt, um ihren Wirtschaftsplan umzusetzen, den sie dem Parlament am Dienstag vorgestellt hat.[xiv] Ihr Plan umfasst einige bedeutende Initiativen, darunter:
- Gezielte Investitionen in 17 strategische Industriesektoren, darunter künstliche Intelligenz, Schiffsbau, Verteidigung, Halbleiter und Telekommunikation.[xv]
- Proaktive Staatsausgaben in wesentlichen Wachstumssektoren zur Stärkung der Versorgungsstrukturen, Steigerung der Einkommen, Förderung der Unternehmensgewinne und Erhöhung der Steuereinnahmen ohne Anhebung der Steuersätze.
- Verdopplung der Verteidigungsausgaben auf rund 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP, eine von einer Regierung veröffentlichte Kennzahl für die Wirtschaftsleistung) bis 2027, wobei die inländische Waffenproduktion und die Infrastruktur für Cybersicherheit gestärkt werden sollen.
- Vorschläge für eine Arbeitsmarktreform, erstattungsfähige Steuergutschriften und die Anhebung der Grundfreibeträge bei der Einkommensteuer für Haushalte im erwerbsfähigen Alter (mit geringerem Fokus auf direkte, staatlich vorgeschriebene Lohnerhöhungen).
- Neue Investitionen in Energiesicherheit und Kernkraft der nächsten Generation, neben regionaler Revitalisierung und Infrastruktur.
- Abbau überflüssiger Bürokratie und Förderung des Wettbewerbs in technologiebezogenen Bereichen wie der KI-Nutzung und der Automatisierung.
Da offenbar weithin die Meinung besteht, dass Japan dringend auf Reformen und Stimulusprogramme angewiesen ist, äußerten sich die Finanzkommentatoren optimistisch über den Ausblick.[xvi] Seien wir jedoch nicht zu vorschnell. Um ihr Programm durchzusetzen, benötigt Takaichi die Unterstützung von Ober- und Unterhaus des japanischen Parlaments. Ihre Koalition (bestehend aus der Liberaldemokratischen Partei [LDP] und der japanischen Innovationspartei) verfügt in beiden Kammern nicht über die erforderliche Mehrheit – ihr fehlen zwei Sitze im Unterhaus und fünf Sitze im Oberhaus.[xvii] Daher ist sie stets auf einige Stimmen der Opposition angewiesen. Da dies ein erforderlicher Schritt zur Umsetzung ihrer Politik ist, hat sie die Oppositionsparteien bereits zur Zusammenarbeit und Konsensbildung aufgerufen.[xviii] Aber werden die anderen Parteien diesem Ruf auch folgen? Dies bleibt unseres Erachtens unklar, insbesondere, da die Premierministerin – und ihre LDP – erst kürzlich an Beliebtheit gewonnen haben.
Natürlich könnte sie Erfolg haben. Es gibt entsprechende Beispiele aus der Vergangenheit. So konnte im Jahr 1960 der damalige Premierminister Hayato Ikeda mit seinem „Plan zur Verdopplung der Einkommen“ dank seiner populären wirtschaftlichen Initiativen den breiten Widerstand im Parlament überwinden und sich im Zuge einer nationalen Debatte und der Unterstützung durch die Öffentlichkeit schließlich durchsetzen.[xix]
Zudem sei an das Vorgehen von Takaichis Mentor Shinzo Abe erinnert. Obwohl nach seiner Wahl 2012 seine Koalition aus LDP und Komeito über die Mehrheit im Parlament verfügte, verhandelte sie wichtige Reformen mit einflussreichen Interessensgruppen und Oppositionsfraktionen – insbesondere im Landwirtschaftssektor, wo Reformen im Zusammenhang mit Handelsabkommen (z. B. Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) auf heftigen Widerstand stießen.[xx]
Überdies verweisen wir auf die zahlreichen leicht umsetzbaren Reformen, die bereits unter Abe verabschiedet wurden.[xxi] Die aktuelle Pattsituation und die Zusammensetzung der Regierung könnten weitere Reformen begünstigen oder auch nicht. Doch die bereits verabschiedeten Reformen scheinen fest verankert zu sein. Indes bestehen kaum Anzeichen dafür, dass die Märkte überhaupt auf Unterstützung durch die Regierung angewiesen sind. So zogen japanische Aktien in dem Jahr, bevor Takaichi am 4. Oktober die Führung der LDP übernahm, um 18,3 Prozent auf Yen-Basis an und konnten damit sogar den MSCI World, der um 18,0 Prozent hinzugewann, übertreffen.[xxii] Und das trotz der in diesem Zeitraum in Japan herrschenden politischen Turbulenzen! Unterstützt durch die Marktstimmung konnte Japan seitdem seinen Vorsprung weiter ausbauen.[xxiii] Hinter diesem Anstieg steht unseres Erachtens jedoch mehr als nur die Hoffnung auf Reformen.
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