Individuelle Vermögensverwaltung / Marktanalysen
Die Schwellenländer als unterschätzte Treiber des globalen Wirtschaftswachstums
Die robuste Binnennachfrage in einer Reihe von großen Schwellenländern verdient unsere Beachtung.
Die Zölle der US-Regierung beherrschten die Schlagzeilen der Finanzmedien im Jahr 2025, und der Zustand des internationalen Handels war ein zentrales Thema im öffentlichen Diskurs. In den meisten Ländern der Welt erwiesen sich die Handelsaktivitäten in diesem Umfeld als robust; dies stellte unserer Ansicht nach eine positive Überraschung dar. Doch unsere Analysen zeigen, dass die Weltwirtschaft nicht allein durch den Handel gestützt wird. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass auch die Inlandsnachfrage und die Aktivitäten des Dienstleistungssektors in vielen Schwellenländern zum globalen Wachstum beigetragen haben. Unseres Erachtens ist dies ein positiver Faktor, der vielfach unterschätzt wird.
Wenn wir uns zunächst der westlichen Hemisphäre zuwenden, ist festzuhalten, dass Brasilien und Mexiko in der Zollberichterstattung aufgrund der US-Handelspolitik viel Aufmerksamkeit erhalten haben. So fielen die sogenannten reziproken Zölle der USA auf brasilianische Exporte angesichts diplomatischer Spannungen sehr hoch aus. Im Anschluss kam es jedoch zu Verhandlungen, die zu einer Abschwächung der Zollauflagen auf viele Lebensmittel führten.[i] Für Mexiko stellen die USA indes den bei Weitem größten Handelspartner dar. Es ist daher verständlich, dass die Zolldrohungen für Verunsicherung sorgten – auch wenn der Handel gemäß dem Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada zu einem Großteil zollfrei bleiben sollte.[ii] Die Neuverhandlung dieses Abkommens sorgt nun für neue Schlagzeilen und für eine gewisse Unsicherheit.
Die jüngsten BIP-Berichte (Bruttoinlandsprodukt – eine von einer Regierung veröffentlichte Kennzahl für die Wirtschaftsleistung) deuten jedoch darauf hin, dass die Binnennachfrage in den größten Volkswirtschaften Lateinamerikas trotz der Zölle nicht eingebrochen ist.[iii] Das brasilianische BIP stieg im dritten Quartal um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal, und auch der Dienstleistungssektor legte um 0,1 Prozent zu.[iv] Auf Branchenebene herrschte ein positiver Wachstumstrend vor, angeführt von dem Bereich Transport, Lagerung und Versand (2,7 Prozent im Quartalsvergleich).[v] Das schnelle Wachstum dieser Branche ist vor allem auf die starke Rohstoffproduktion (insbesondere bei Agrarrohstoffen) in Verbindung mit hohen Ernteerträgen im dritten Quartal zurückzuführen.[vi] Die privaten Konsumausgaben stiegen derweil auf Quartalsbasis um 0,1 Prozent. Dies entkräftet Warnungen vor einer Verlangsamung der Verbraucherausgaben in Brasilien unter Verweis auf schwache Einzelhandelsumsätze (die im Juli und September rückläufig waren). Unserer Meinung nach führt uns der positive Gesamttrend der Ausgaben im dritten Quartal einmal mehr vor Augen, dass die Einzelhandelsumsätze nur einen Teil der privaten Konsumausgaben widerspiegeln.[vii]
In Mexiko schrumpfte das BIP im dritten Quartal um 0,3 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal. Vor diesem Hintergrund schreiben verschiedene Analysten, dass aufgrund der handelspolitischen Unsicherheit eine technische Rezession eintreten könnte (d. h. ein wirtschaftlicher Abschwung, der in Finanzpublikationen oft als eine Phase von mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit einer rückläufigen BIP-Tendenz definiert wird).[viii] Verantwortlich für diesen Rückgang war insbesondere der Industriesektor mit einer Kontraktion um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal und 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Zu diesem Sektor gehören unter anderem die Bauwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe – zwei Wirtschaftszweige, auf die sich Handelszölle sehr direkt auswirken.[ix] Doch ebenso wie in Brasilien hat der Dienstleistungssektor – der fast 60 Prozent des mexikanischen BIP ausmacht – auch hier zugelegt: Das Wachstum belief sich in diesem Bereich auf 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal und 1,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.[x] Zwar gibt es Dienstleistungsunternehmen, die den Folgen der Zölle unmittelbar ausgesetzt sind, beispielsweise in den Bereichen Transport/Lagerung und Einzelhandel. Andere Unternehmen – etwa im Gesundheits- und im Immobiliensektor – sind nach unseren Beobachtungen jedoch stärker von der Binnennachfrage abhängig und verzeichneten dieses Jahr insgesamt ein positives Wachstum.[xi]
Als Nächstes richten wir den Blick auf Asien. In dieser Region konzentrieren sich die Finanzkommentare für gewöhnlich auf China, Südkorea oder Taiwan. Unsere Aufmerksamkeit gilt jedoch vielmehr Indien, dessen BIP im dritten Quartal um 8,2 Prozent auf Jahresbasis gestiegen ist. Diese Wachstumsrate zählt zu den weltweit höchsten und hat nach einem Ergebnis von 7,8 Prozent im zweiten Quartal zuletzt weiter zugenommen.[xii] Der Dienstleistungssektor führte diesen Trend mit einer Expansion um 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal an, wobei Finanz-, Immobilien- und professionelle Dienstleistungen mit 10,2 Prozent besonders stark zulegten.[xiii] Die Verbraucherausgaben stiegen über denselben Zeitraum um 7,9 Prozent und übertrafen somit ihr Wachstum von 7,0 Prozent im zweiten Quartal. Nach den meisten gängigen Maßstäben weist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt demnach anscheinend eine lebhafte Nachfragedynamik auf.[xiv] Anfang 2025 schien am indischen Aktienmarkt eine gute Stimmung vorzuherrschen, doch diese kollidierte unserer Ansicht nach mit den durch die Zölle hervorgerufenen Ängsten. In der Folge geriet der MSCI India ins Hintertreffen und konnte seinen deutlichen Rückstand über das gesamte Jahr hinweg nicht mehr aufholen. So verzeichnet er seit Jahresbeginn einen Rückgang in Euro um 11,1 Prozent, während der MSCI Emerging Markets Index um 14,0 Prozent zugelegt hat.[xv] Wir glauben, dass sich die Marktstimmung allmählich abkühlt – und dass es sich lohnt, diese Entwicklung nächstes Jahr im Auge zu behalten.
In Indonesien, der größten Volkswirtschaft Südostasiens, stieg das BIP im dritten Quartal um 5,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr.[xvi] Mit einem Anteil von rund 19 Prozent am BIP stellt das verarbeitende Gewerbe – anders als in den meisten entwickelten Volkswirtschaften – den größten Wirtschaftszweig des Landes dar.[xvii] Das stärkste Wachstum wiesen im dritten Quartal jedoch dienstleistungsorientierte Branchen auf, darunter das Bildungswesen und Unternehmensdienstleistungen mit 10,6 Prozent bzw. 9,9 Prozent auf Jahresbasis. Das verarbeitende Gewerbe verzeichnete derweil ein Wachstum von 5,5 Prozent.[xviii] Die Konsumausgaben der privaten Haushalte erhöhten sich gegenüber dem Vorjahresquartal um 4,9 Prozent.[xix] Bei allem Kummer mit Blick auf die Konsumtrends in den Industrieländern zeigt sich an diesen Schwellenmärkten in Asien, dass die Aussichten nicht ganz und gar düster sind.Und wie ist die Lage in Südafrika, der am stärksten industrialisierten Nation des afrikanischen Kontinents?[xx] Das Land verzeichnet aktuell die längste ununterbrochene Wachstumsphase seit 2021. Das BIP nahm auf Quartalsbasis im zweiten Quartal um 0,9 Prozent und im dritten Quartal um 0,5 Prozent zu. Der Handel expandierte im dritten Quartal um 1,0 Prozent und trug somit 0,1 Prozentpunkte zum Wachstum bei.[xxi] Die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen im Quartalsvergleich um 0,7 Prozent an, während die Bruttoanlageinvestitionen mit 1,6 Prozent das erste positive Wachstum seit dem dritten Quartal 2024 verzeichneten.[xxii] Laut der Statistikbehörde Statistics South Africa verteilte sich der Anstieg der Investitionen breit über die verschiedenen Branchen, vom Transportsektor bis zum Softwarebereich.[xxiii]
Anleger sollten das BIP nicht als Messgröße für Anlagechancen verstehen. Unsere Analysen zeigen auf, dass ein starkes BIP-Wachstum nicht gleichbedeutend mit robusten Aktienmarktrenditen ist – und die Entwicklung am indischen Markt im Jahr 2025 untermauert diese Erkenntnis. Gleichwohl heben wir diese Trends in einer Reihe von Schwellenländern hervor, um das übergeordnete Bild zu verdeutlichen: Trotz der unzähligen Schlagzeilen über Handelszölle in diesem Jahr steht das weltweite Wirtschaftswachstum nach wie vor auf einem soliden Fundament. Viele Beispiele aus dem Kreis der Industrieländer belegen es, und auch die Schwellenländer zeichnen dasselbe Bild: Dem globalen Wachstum lag in diesem Jahr eine wirtschaftliche Entwicklung zugrunde, die besser war als vielfach wahrgenommen.
[i] „Brazil’s President Asks US to Scrap Tariffs in ‘Friendly’ Call With Trump”, Tom Phillips, The Guardian, 06.10.2025.
[ii] Quelle: Office of the United States Trade Representative, Stand: 18.12.2025.
[iii] Quelle: Weltbank, Stand: 18.12.2025. Aussage basiert auf dem BIP des Jahres 2024.
[iv] Quelle: Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE), Stand: 16.12.2025.
[v] Ebd.
[vi] Ebd.
[vii] Quelle: IBGE und FactSet, Stand: 16.12.2025.
[viii] Quelle: Instituto Nacional de Estadística, Geografía e Informática (INEGI), Stand: 16.12.2025.
[ix] Ebd.
[x] Quelle: FactSet, Stand: 16.12.2025.
[xi] Ebd.
[xii] Quelle: Ministry of Statistics & Program Implementation, Stand: 16.12.2025.
[xiii] Ebd.
[xiv] Quelle: FactSet und IWF, Stand: 16.12.2025.
[xv] Quelle: FactSet, Stand: 17.12.2025. MSCI India Index und MSCI Emerging Markets Index, in Euro, mit Nettodividenden, 31.12.2024 – 18.12.2025.
[xvi] Quelle: BPS – Statistics Indonesia und Weltbank, Stand: 18.12.2025.
[xvii] Ebd. Aussage basiert auf dem prozentualen Anteil verschiedener Branchen am BIP im Jahr 2024.
[xviii] Ebd.
[xix] Ebd.
[xx] „Industrialisation in Africa: Leading Countries and Reasons for Their Success“, Theophilus Acheampong, Prince Asare Vitenu-Sackey, Africa Policy Research Institute, 10.10.2024.
[xxi] Quelle: Statistics South Africa, Stand: 16.12.2025.
[xxii] Ebd.
[xxiii] Ebd.
Dieser Artikel spiegelt die Meinungen, Standpunkte und Kommentare der MarketMinder-Redaktion von Fisher Investments Asset Management, LLC wider, die sich jederzeit und ohne Vorankündigung ändern können. Die Bereitstellung von Marktinformationen dient lediglich der Veranschaulichung sowie zu Informationszwecken. Die Inhalte dieses Artikels stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers dar und treffen keine Aussage darüber, ob eine bestimmte Transaktion oder Anlagestrategie für eine bestimmte Person geeignet ist.
Die Fisher Investments GmbH ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reguliertes und beaufsichtigtes Wertpapierinstitut. Sie verfügt über die Erlaubnis, Wertpapierdienstleistungen mit dem Kerngeschäftsfeld der Finanzportfolioverwaltung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu erbringen. Die Fisher Investments GmbH hat die fortlaufenden Entscheidungen zur Anlagestrategie auf ihre Muttergesellschaft, Fisher Asset Management, LLC, ausgelagert, die ihren Sitz in den USA hat und von der US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission) beaufsichtigt wird. Die Fisher Investments GmbH, Fisher Asset Management, LLC, sowie weitere Unternehmen der Gruppe erbringen ihre Wertpapierdienstleistungen unter der Bezeichnung „Fisher Investments“.
Die enthaltenen Börsen- und Wirtschaftsinformationen sowie sämtliche Veröffentlichungen in unserem Namen dienen ausschließlich zur Information und stellen weder eine Abgabe einer individuellen Anlageempfehlung in Bezug zu Geschäften mit bestimmten Finanzinstrumenten (Anlageberatung) noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, Derivaten oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Die Ausarbeitung spiegelt die allgemeine Meinung der Fisher Investments GmbH oder der Fisher Asset Management, LLC wider und darf nicht als persönliche Anlageempfehlung oder als eine Reflektion der Performance der Fisher Investments GmbH, der Fisher Asset Management, LLC oder ihren Kunden betrachtet werden. Eine Wertpapieranlage ist mit Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust verbunden. Die Renditen der Vergangenheit sind niemals eine Garantie für zukünftige Renditen. Investitionen in ausländische Aktienmärkte sind mit zusätzlichen Risiken wie Währungsschwankungen verbunden. Die Preise der Produkte (Anteile, Wertpapiere, Derivate oder sonstige Finanzinstrumente) können sowohl steigen als auch fallen. Auch Erträge (Dividenden, Zinsen usw.) können nicht zugesichert oder garantiert werden. Unter Umständen erhalten Sie nicht den gesamten investierten Betrag zurück. Die in unseren Publikationen zum Ausdruck gebrachten Meinungen, Einschätzungen und Sichtweisen können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Die Fisher Investments GmbH oder Fisher Asset Management, LLC übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Fehlerfreiheit der bereitgestellten Informationen oder Ergebnisse.
© Fisher Investments GmbH.
Unsere Leitfäden für Anlagen ansehen
Die Anlagewelt erscheint Ihnen manchmal wie ein riesiges Labyrinth? Fisher Investments hat mehrere informative Leitfäden und Schulungsmaterialien entwickelt, in denen verschiedene Anlagethemen erläutert werden.