Individuelle Vermögensverwaltung / Marktanalysen
Notenbanken in Angst
Theorie statt Praxis
In seiner Focus Money-Kolumne „Die Fed – eine Zentralbank ohne Banker“ schrieb mein Partner Ken Fisher im April 2015: „Der Zentralbank fehlt die institutionelle Erfahrung des Kreditgewerbes. Keiner weiß wirklich, wie eine Bank funktioniert. Sie kennen sich mit Gesetzen und Modellen aus, nicht jedoch mit der real existierenden Welt.“ Die anstehende US-Zinserhöhung scheint vor allem die Fed-Mitglieder selbst in ihrem Handeln zu verunsichern – das aktuellste Beispiel für fehlende praktische Erfahrung.
Die EZB verfügt über dasselbe Grundproblem: Endlose akademische und philosophische Diskussionen begleiten die griechische Schuldenkrise seit Jahren. Die EZB hat sich bei ihren Entscheidungen stets eher der Politik als der realen Wirtschaft verpflichtet gefühlt. Der finale Akt rückt nun näher – und die Nerven liegen blank.
Die Stunde der Wahrheit ist da
Eilig hat die EZB in dieser Woche auf besondere Gefahren von Nothilfen an illiquide Geldhäuser hingewiesen. Die sogenannte ELA-Kreditvergabe sei keine reguläre geldpolitische Operation und damit mit höheren Restrisiken verbunden. Aha. Offenbar ist den europäischen Währungshütern siedend heiß eingefallen: „Ach du Schreck! Die griechische Notenbank wird den Verpflichtungen aus den erhaltenen ELA-Hilfen nicht nachkommen können. Lasst uns noch schnell vor der drohenden Pleite die Bevölkerung warnen und uns aus der Schusslinie nehmen!“ Eine mehr als berechtigte Sorge, denn nicht nur die verschärfte Kapitalflucht der letzten Monate belegt, dass die griechischen Banken in der Tat kurz vor ihrem Ende sind.
Lobenswert, wenn die EZB um Transparenz und Aufklärung bemüht ist. Das Kind ist jedoch längst in den Brunnen gefallen. Über sämtliche Risiken sollte vor Eingehen des Geschäfts aufgeklärt werden! Keine „normale“ Bank oder Vermögensverwalter dieser Welt könnten sich erlauben, dasselbe Verhalten wie die EZB an den Tag zu legen. Die Ausgabe von Krediten ohne sorgfältig geprüfte Sicherheiten ist der Kardinalsfehler einer Bank schlechthin – die Kreditvergabe ist ihr Kerngeschäft. Wurden bei der Vergabe von ELA-Krediten durch den EZB-Rat tatsächlich sämtliche Risiken sorgfältig analysiert? Hat die EZB ihr Mandat mit der notwendigen politischen Neutralität wahrgenommen? Eine ganze Reihe äußerst unbequemer Fragen, denen sich die EZB in den kommenden Wochen stellen muss.
Tsipras mit Gleichmut
Kommt der Grexit, ist der Maskenball zu Ende. Auch die EZB muss sich dafür verantworten, wie umfangreich und leichtfertig die Notkredite in Milliardenhöhe vergeben wurden. Fehlannahmen und ungenügende Objektivität würden offengelegt. Einige EZB-Politiker suchen ihr Heil deshalb in der Offensive, würden den schwarzen Peter gerne vollständig an die Griechen übergeben. Mangelnder Reformwille, Korruption, unfähige Politik, wirtschaftliches Desaster! Doch Alexis Tsipras kann - mit dem Referendum im Rücken - weiterhin mit Gleichmut der Dinge harren, die auf sein Land zukommen. Er spekuliert darauf, sich trotz aller Anfeindungen auf die Kompromissbereitschaft der europäischen Geldgeber verlassen zu können. Denn jeder Regierungschef in Europa will es tunlichst vermeiden, den Satz: „Liebe Mitbürger, das Geld ist weg!“ vor seinen steuerzahlenden Landsleuten sprechen zu müssen. Genau diese Angst ist der größte Trumpf im Poker-Spiel des Alexis Tsipras!
Fazit
Vertrauen Sie nicht den Notenbanken! Es ist nicht nur gefährlich, sich auf Absichtserklärungen oder Garantien einer Notenbank zu verlassen – auch die politisch motivierte Kreditvergabe ohne echte Sicherheiten beschädigt das Vertrauen. Und ist das Ass im Ärmel von Alexis Tsipras.
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